Sonntag, 6. Oktober 2013

Empfang, Gericht und Fußball!

Am Mittwoch stand mein zweiter Arbeitstag an. Dabei habe ich dann auch gleich mal versucht, einen Vorgang alleine zu bearbeiten und bei all den Rückfragen, die ich Hauke stellen musste, den ganzen Ablauf erst mal ordentlich verzögert, so dass der "Schaden" den Nutzen wohl letztlich überwogen hat.

Abends stand dann der Empfang zur Feier des Tages der Deutschen Einheit an. Tatsächlich erschienen rund 600 Gäste (ich meisterte meine Aufgabe als Zähler mit Bravur) unter denen sich recht hohe Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens befanden: neben anderen Auslandsvertretern (die Generalkonsuln Frankreich und Englands) beehrten uns Helen Zille, ehemalige Bürgermeisterin Kapstadts und nun Chefin der Demokratischen Partei, ein Prinz Bou-irgendwas, der hier Parlamentarier hier, sowie der aktuelle und ehemalige Erzbischof der westlichen Kapprovinz. Dabei merkte man auch hier, wie die Hautfarbe zwischen Arm und Reich unterscheidet: etwa 90% der Gäste waren weiß (obwohl hauptsächlich aus Kapstadt stammend) - und alle Bediensteten schwarz.

Das Anwesen selbst - die Residenz des Deutschen Botschafters aus Pretoria - war unglaublich pompös: wo im übrigen Kapstadt wohl keine Abstandsflächen einzuhalten sind, besaß dieses einen riesigen, sehr gut gepflegten Garten mit herrlicher Pflanzenvielfalt. Der Pool - allerdings nicht beleuchtet, also mangelhaft - war in etwa so groß wie die Grundfläche einiger Häuser hier. Die mehrstöckige Villa war dementsprechend luxuriös ausgestattet (bspw. ein Kamin in jedem Zimmer).

Zelebriert wurde auf einer Rasenfläche unter einem sehr großen Zelt (dessen Mietpreis für zwei Tage größer als das durchschnittliche Nettomonatseinkommen in Deutschland war). Zunächst hielten Herr Generalkonsul Hermann und Frau Zille Reden, dann wurde ein Grußwort von unserem ehemaligen Außenminister verlesen. Anschließend wurden von einem (Schul-?)Trompetenorchester die Nationalhymnen gespielt. Dann fing endlich der informelle Teil mit (nur zwei Fässern) Bier, Wein und köstlichen Häppchen und den versprochenen Flammkuchen (vor Ort frisch zubereitet) an.

Bilder konnte ich aus nachvollziehbarem Grund vor Ort leider nicht anfertigen ;)

Am Donnerstag war dann wegen des Tags der Deutschen Einheit frei. Doch wie angekündigt wollte ich gemeinsam mit Hauke der Verhandlung gegen den Deutschen Staatsangehörigen als Prozessbeobachter beiwohnen. Sie fand vor dem Magistrates Court - dem Äquivalent der Amtsgerichte - statt.

Die Gerichtsorganisation ist dann doch leicht anders, als es in Deutschland so abläuft. Die Ladungen erfolgen nur für den Verhandlungstag, eine Uhrzeit wird nicht genannt. Alle Beteiligen erscheinen um 9 Uhr - dann wird eine Liste mit der Reihenfolge der Sachen ausgehangen und man muss selbst abschätzen, wann seine Sache dran ist. Hauke hat so schon mal 3 Stunden gewartet. Wir hatten aber das Glück, dass wir mit dem Verteidiger, dessen Law Firm im gleichen Gebäude wie das Generalkonsulat ist, Kontakt haben, so dass er zusagte, uns mitzuteilen, wann in etwa die Verhandlung beginnen würde. So konnten wir zu Hause auf Abruf bereit warten.

"Bestellt" wurden wir dann für 14 Uhr nach der Mittagspause. Nachdem wir die Sicherheitskontrolle passierten (Exkurs: bei der ich - was ich mir hätte denken können - meine Kamera abgeben musste und, da ich keinen Nachweis für die Verwahrung erhielt, auch fest damit rechnete, dass sie dann "verschwinden" würde. Mitgeführt habe ich die Kamera allerdings nicht, um bei Gericht Bilder zu machen, sondern um sie reparieren zu lassen - was mir später dann auch gelang - Exkurs Ende) und uns vor dem Saal einfanden, hieß es trotzdem erst mal warten. Um etwa 14:15 Uhr erschienen die Geschädigten, die uns erst mal über ihre Sicht der Dinge aufklärten...Nach und nach, bis etwa 15 Uhr, trudelten dann die anderen Prozessbeteiligten ein - nicht jedoch der Verteidiger. Dieser ließ sich schon Vormittags zwei Stunden Zeit, wie wir später erfuhren, und tauchte auch jetzt erneut eine halbe Stunde nach dem Richter auf. In Deutschland würde wohl eine andere Prozessleitung gehandhabt...

In der Sache wurde dem Angeklagten mehrfacher Betrug und Urkundenfälschung vorgeworfen. So hat er in vielen Fällen, vor allem Deutsche, unter falschen Identitäten dazu bewogen, ihm Kleinkredite bis etwa 3000 Euro zu gewähren, die er jedoch nie zurückzahlte. Die Sache ging lange gut (etwa 7 Jahre), da aufgrund des geringen Schadens die Opfer nicht die höheren Kosten eines Rechtsanwalts in Kauf nehmen wollten. Als er dann aber an zwei Leute geriet, denen es auch "ums Prinzip" ging, kam es dann doch zur Strafverfolgung.

Die Verhandlung selbst war dann aber nicht wirklich aufregend. Schon außerhalb der Verhandlung machten Staatsanwalt und Verteidiger einen Deal aus. Da der Angeklagte das Risiko einer Verurteilung nicht eingehen wollte (die zweiwöchige Untersuchungshaft unter hiesigen Bedingungen [etwa 60 Gefangene in Zellen für 20 Insassen mit nur einer Toillette] hatte ihn offenbar gereicht), gestand er die Taten, um so unter der Auflage der Ausreise binnen 7 Tagen nach Deutschland zu 36 Monaten Haftstrafe, zur Bewährung auf 5 Jahre ausgesetzt, verurteilt zu werden. Seine Erleichterung war ihm anzusehen.

Das erste Bild mit reparierter Kamera - juchhuu!
Am Freitag stand dann der letzte Arbeitstag der ersten Woche an. Dabei kam es zu recht hohem Publikumsverkehr (Freitags ist Rentnertag). Auch dieses Mal wagte ich mich selbstständig an ein paar Sachen ran und im Gegensatz zu Mittwoch ging das dann auch einigermaßen flott von statten.

Am Abend kam ich dann endlich wieder in den Genuss, Fußball spielen zu dürfen. Über einen Freund von Katrin fand ich Anschluss an eine Gruppe, die zwei Mal in der Woche auf umnetzten Kleinfeldern gegeneinander spielt. Mit meinen Verteidigerkünsten konnte ich auch ordentlich Eindruck schinden, so dass ich eingeladen wurde, öfter mitzuspielen. Jedoch musste ich mir, da ich mit Fußball nicht rechnete und keine einpackte, Fussballschuhe leihen, was - bei neuen Schuhen üblich - erst mal zu gravierender Blasenbildung führte...

Nach dem sportlichen Teil klang der Tag mit dem üblichen Prozedere aus. Nach langer Zeit konnte ich  dabei mal wieder Falafel essen - wobei die Berliner Variante doch besser (und billiger) ist - und ein örtlich gebrautes Weißbier trinken. Zuletzt fanden wir uns im Restaurant von Parth wieder, von dem aus Katrin und ich - dummerweise - den 20 minütigen Heimweg zu Fuß antraten. Dumm war diese Entscheidung deshalb, weil ich nur mit Hemd bekleidet war, es aber geradezu stürmte mit teils heftigem Schauer. Es war also vielleicht doch nicht so schlecht, am Montag weitere lange Hosen und Pullover gekauft zu haben.

Kapstädter Weißbier
Damit mir die Misere mit den Füßen nach dem Fußball nicht nochmals passiert, habe ich mich am Samstag dazu entschlossen, mit der Metrotrail zu einem Outletcenter zu fahren, um mir eigene Schuhe zu besorgen. An sich gibt es hierüber nichts Spektakuläres zu berichten (außer vielleicht der Preis mit 14 € für Nikeschuhe). Aber die Rückfahrt hatte es in sich. Denn Katrin, die mich begleitete, und ich entschieden uns dazu, mal etwas abenteuerlustig zu sein, und hierfür die quer durch die Stadt operierenden Minibustaxis zu nutzen - von deren Nutzung Touristen immer abgeraten wird. Zur Fußball-WM wurde deren Infrastruktur richtig gut ausgebaut, so dass man recht zügig von A nach B kommt.

Für alle, die sich unter den Minibustaxis nichts vorstellen können: Hierbei handelt es sich um Kleinbusse, die so weit wie möglich mit Sitzgelegenheiten ausgestattet werden. Diese fahren immer eine festgelegte Strecke ab, bei der unterwegs Leute ein- und aussteigen. Grundsätzlich startet die Fahrt dann auch erst, wenn alle Sitzplätze belegt sind. Dabei geht es aufgrund der Konkurrenzsituation teilweise schon recht marktschreierisch zur Sache, wenn Fahrgäste angeworben werden. So ist es üblich, dass der Mitfahrer bei offener Schiebetür während der Fahrt die Leute ranholt und es dementsprechend häufig auch zu plötzlichen Bremsmanövern kommt. Und damit das volle marktwirtschaftliche Potential des Fahrzeugs ausgenutzt wird, ist bei erreichen der Sitzplatzkapazität von eigentlich 14 Fahrzeuginsassen noch lange nicht Schluss. Mittels Brettern und Boxen werden weitere Sitzgelegenheiten geschaffen, so dass wir bei Volllast einmal 24 Mann an Bord waren...

Das ganze ist schon eine lustige Sache, wenn man denn weiß, wo man hinwill und aussteigen muss. Aber abends würde ich tatsächlich von einer Nutzung abraten.

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